Prediger Ben Fitzgerald mit Altkanzler Sebastian Kurz

Viel Lärm um nichts – das Gebet, das Österreich spaltet

Am vergangenem Wochenende fand in der Wiener Stadthalle das ökumenische Großevent „Awakening Austria“ statt.
     
Die Veranstaltung, an der rund 10.000 Personen aus ca. 45 Ländern und unterschiedlichen Konfessionen teilnahmen, wäre von der Öffentlichkeit wohl kaum wahrgenommen, wenn dort nicht für Altkanzler Sebastian Kurz gebetet worden wäre. Kurz nütze eine religiöse Veranstaltung für seinen Wahlkampf, so die Kritik. Dem ist jedoch zunächst mal entgegenzuhalten, dass ein Großteil der Teilnehmer aus dem Ausland angereist war und in Österreich gar nicht stimmberechtigt ist.
     

Sebastian Kurz, der sich bekanntlich um Kontakt zu allen Religionen und Religionsgemeinschaften in Österreich bemüht, war mit seinem Auftritt bei „Awakening“ einer Einladung gefolgt, der er bereits während seiner Amtszeit als Bundeskanzler zugesagt hatte. In seiner rund 3-minütigen Rede dankte Kurz vor allem den österreichischen Christen für ihr oft ehrenamtliches Engagement in der Gesellschaft – alles lief politisch korrekt ab. Das nun vielfach kritisierte Gebet war allerdings nicht geplant und abgesprochen. Kurz wollte nach seiner Rede die Bühne verlassen, doch der Prediger und Awakening-Leiter Ben Fitzgerald wollte ganz spontan mit den Konferenzteilnehmern für den Altkanzler beten. Der war sichtlich irritiert von der Situation.
     
Dazu muss man wissen, dass im angloamerikanischen Raum – Fitzgerald lebt in Kalifornien – Gebet für Politiker gang und gäbe ist und auch für die vielen ausländischen Teilnehmer nichts besonderes war. So hielt beispielsweise der bekannte, im Februar 2018 verstorbene US Prediger Billy Graham, ab dem zweiten Weltkrieg engen Kontakt ins weiße Haus und sprach öffentliche Gebete bei der Amtseinführung mehrerer US Präsidenten, wie etwa bei der Inauguration von Präsident Bill Clinton im Jahr 1993. Bei der Amtseinführung von Präsident Barack Obama wurde der evangelikale Pastor Rick Warren zum Gebet eingeladen, und bei der Amtseinführung des amtierenden Präsidenten Trump sprach Rev. Franklyn Graham (Sohn von Billy Graham) das Gebet. Für viele, selbst nichtgläubige Amerikaner gehört dies zum Nationalbewusstsein.
     
Übrigens haben schon die ersten Christen den Segen Gottes für ihre Obrigkeiten erbeten. Selbst der Apostel Paulus rief dazu auf. In der damaligen Zeit waren es sogar Gebete für die eigenen Verfolger. Bei den heutigen Gebeten für Politiker ist es üblich, Gott zu bitten, die betreffende Person mit Gaben auszurüsten, die er oder sie im Amt benötigt. Im Gebet für Sebastian Kurz bat Fitzgerald um Weisheit, Rechtschaffenheit und Schutz, also nichts verwerfliches, das Kritik verdient hätte.
     
Manche Kritiker nehmen sogar Anstoß an der Gebetshaltung und sagen, diese wirke sektenhaft. Ben Fitzgerald rief die Gläubigen nämlich beim Gebet für Kurz dazu auf, die Hände zum Gebet zu erheben. Dies geschah übrigens nicht nur zu diesem Zeitpunkt, sondern mehrfach während der gesamten 4-tägigen Konferenz. Die Hände zum Gebet erheben ist vor allem im Ausland unter Christen gang und gäbe und keineswegs ein Kennzeichen von Sekten. Selbst den katholischen Teilnehmern aus Österreich war diese Art der Gebetshaltung nicht fremd.
     
Fazit: Unterm Strich ist die ganze Kritik an dem Segensgebet für Sebastian Kurz bei näherem Hinsehen nur viel Lärm um nichts. Die Kritiker täten gut daran, ein wenig Toleranz zu zeigen, immerhin hat in Österreich jeder das Recht auf freie Religionsausübung.
 
         
Björn Korf, Red.